Eine Klasse für sich, mit unbändigem Willen und Double-Double-Performance: Jonas Wohlfarth-Bottermann ist in Chemnitz von der kompletten Big-Men-Riege nicht zu stoppen – und muss erst nach einem Bodycheck samt Sturz über die Bande kürzertreten. Foto: René Hudl.
Das Gastspiel bei den NINERS Chemnitz bringt für die MHP RIESEN Ludwigsburg ein Wechselbad der Gefühle mit sich. Die Schwaben packen in Sachsen, trotz signifikanter Personalprobleme, eine ihrer besten Saisonleistungen aufs Parkett, verspielen im vierten Viertel aber in unglücklicher Weise einen 17-Punkten-Vorsprung, der 1,5 Sekunden vor dem Schlusspfiff im Ausgleich und der Verlängerung mündet. Diese bringt weitere Hektik, nicht aber das Happy End, sondern eine 100:104-Niederlage mit sich.
Die im Vorfeld als ‚Herkulesaufgabe Chemnitz‘ titulierte Mission in der mit 4.554 Zuschauer bestens gefüllten Messe Chemnitz startete für Lars Masell und seine Mannen sehr gut: Ludwigsburg gewann den Sprungball, schickte Roman Bedime, den Mann des vergangenen NINERS-Spiels mit zwei persönlichen Fouls auf die Bank und fand direkt seinen Rhythmus (2:4 / 3:6 / 6:6). Die frühzeitigen Wechsel, unter anderem die Hereinnahme von Brandon Tischler, machten sich bezahlt, sodass sich eine physisch-geprägte, sehr leidenschaftliche Partie entwickelte, in der die Gäste tonangebend waren – sie setzten immer wieder sehr gute Akzente, wodurch die Partie offen und dennoch gelb-schwarz geprägt war (19:21, 10. Spielminute).
Im ewig jungen Hin und Her, das bereits die vergangenen Duelle geprägt hatte, mussten fortan und im weiteren Spielverlauf zunehmend mehr Chemnitzer foulbedingt kürzertreten. Zunächst waren Jeff Garrett und Olivier Nkamhoua mit (weiteren) Foulspielen außen vor, beide sollten im weiteren Verlauf das Ende auch nicht mehr auf dem Parkett erleben können. Selbiges galt später auch für Kevin Yebo, Jonas Richter und DeAndre Landsdowne – zunächst aber blieb vor allem eine Erkenntnis. Nämlich die, dass die Hausherren vollkommen von der Rolle waren und die MHP RIESEN dominierten. Sie bauten ihren Vorsprung von zwei bis auf 14 Zähler aus, brillierten durch Tischler und Jonas Wohlfarth-Bottermann, der sich Rebound um Rebound sicherte; eigentlich aber durch alle Akteure. Die Gäste überzeugten auf ganzer Länge, durch immensen Einsatzwillen, eine große Moral und eine sichtbar gute Teamchemie (32:46, 20.).
Aus der Kabine kommend erwischten die Schwaben zwar erneut einen guten Start und dunkten sich durch Wohlfarth-Bottermann ins Glück, der insgesamt auf 17 Punkte angewachsene Vorsprung sorgte aber nicht für ein endgültiges Ende der Chemnitzer Hoffnungen. Angeführt vom Mann des Abends, Victor Bailey Jr., der 32 Punkte auflegte und dabei 67% seiner Würfe traf, sowie dank einer fantastischen Unterstützung ihrer Fans, blieben die NINERS dran und hielten sich den Zugang zur Partie offen. Währenddessen stimmte bei Ludwigsburg weiterhin der Einsatz, Julis Baumer, Ezra Mañjon und der nimmermüde Joel Scott, der abermals viele körperliche Treffer einsteckte und Korberfolge austeilte, blieben die Barockstädter das konsequentere Team, waren durch einen Bailey-Jr-Buzzerbeater aber auch gewarnt (55:71, 30.).
Und sollte diese Warnung auch im vermeintlichen Schlussabschnitt vor Augen geführt bekommen: Die Orange-Weißen legten einen 11:0-Lauf aufs Parkett (63:89 / 74:80), der aus einer engen Partie wieder eine vollkommen offene machte. In dieser Phase sorgten Scott, Maldonado und Tischler zwar für sehr gute Aktionen, gleichzeitig verhinderten diverse Fehler auch ein erneutes Ludwigsburger Absetzen. Nach diversen, aufopferungsvollen und äußerst intensiven Minuten sollten die letzten Sekunden dann bestimmend sein. Beim vermeintlich letzten Angriff (+3 Ludwigsburg), sorgte Bailey Jr. für den Ausgleich (88:88), Mañjon im Gegenzug 1,5 Sekunden vor dem Ende für den umjubelten Führungswechsel, der doch noch, nach einem maximal unglücklichen Kontakt von Hunter Maldonado, an der Freiwurflinie von Bailey Jr. in die Verlängerung umgewandelt wurde (90:90, 40.).
Auch in dieser sollten die Ludwigsburger ihre Chancen haben, blieben jedoch mit ihrer 7-Mann-Rotation, aus der Maldonado, der nach seinem Foul verletzt ausgewechselt werden musste und Wohlfarth-Bottermann, der nach einem nicht geahndeten Nkamhoua-Check über die Bande segelte und mit einem Knietreffer zusehen musste, hinter ihren Möglichkeiten. Anders formuliert: Sie mussten der maximal kräftezehrenden Partie Tribut zahlen, gerieten in Rückstand und bekamen diesen nicht mehr gewendet.
Anders als bei nationalen Auswärtsspielen üblich, mach(t)en sich die Schwaben nach Spielende nicht auf den Heimweg, sondern ins Teamhotel. Von dort geht’s am Freitag auf direktem Wege nach Bamberg, wo schon am Samstag die nächste Partie im Spielplan steht. Tip-Off in der brose Arena ist um 18:30 Uhr.
Für Chemnitz spielten: Victor Bailey Jr. 32 Punkte / 5 Rebounds, DeAndre Lansdowne 15 / 6 / 7 Assists, Jeff Garrett 12 / 10, Kevin Yebo 11, Jacob Gilyard 10, Nicholas Tischler 9, Damien Jefferson 6, Olivier Nkamhoua 6 / 5, Jonas Richter 3 und Roman Bedime.
Für Ludwigsburg spielten: Ezra Mañjon 27 Punkte / 7 Rebounds, Joel Scott 25 / 7, Brandon Tischler 15, Jonas Wohlfarth-Bottermann 14 / 13, Hunter Maldonado 11 / 5, Julis Baumer 5, Justin Simon 3 / 7 / 7 Assists, Dominykas Pleta und Lenny Anigbata.
Lars Masell | Headcoach MHP RIESEN Ludwigsburg | "Glückwunsch an Coach Rodrigo [Pastore] und Chemnitz zum Sieg. Ich glaube, wir haben unseren Gameplan mit der kurzen Rotation gut umgesetzt, wir haben gefightet, das war wichtig. [Victor] Bailey [Jr.] hat heute seine Würfe getroffen, das muss man akzeptieren. Die Chemnitzer sind [trotz des 18-Punkte-Rückstandes] ruhig geblieben, haben unsere kurze Rottaiton ausgenutzt und gut gespielt. Natürlich sind wir sehr enttäuscht – können aber sehr stolz auf uns sein." |
Rodrigo Pastore | Headcoach NINERS Chemnitz | "Kompliment an Lars Masell und sein Team, die mit ihren ganzen Ausfällen in einer schwierigen Situation sind, aber mit einem sehr guten ‚Gameplan‘ hier antraten und uns vor große Probleme stellten. Wie schon im Hinspiel dominierte Ludwigsburg heute das ‚Possession-Game‘, vor allem in der ersten Hälfte. Zudem waren wir gegen die Zonenpresse zu passiv. Dadurch lief das Spiel lange nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. In der zweiten Halbzeit konnten wir uns steigern, waren aber defensiv weiterhin zu anfällig. So brauchte es im letzten Viertel dann DeAndre Lansdowne, der die Zone attackierte, und Victor Bailey, der wichtige Würfe traf. Am Ende bewiesen wir Nervenstärke. Ich freue mich für die Spieler, die nie aufgaben und als Team zusammen blieben, und vor allem für unsere Fans, die heute wieder ein ganz wichtiger Faktor waren. Vielleicht ist dieser Sieg für uns ein kleiner Eisbrecher, aus dem wir das nötige Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben ziehen können." |