Ein Dunk(-Motiv) mit Symbolkraft: Jontahan Bähre und Ludwigsburg sorgen in München für die entscheidenden Sequenzen. Foto: Eibner / Sascha Walther.
45 Minuten RIESEN-Extraklasse zum Playoff-Auftakt im BMW Park: Ludwigsburg begeistert in einem hochklassigen Duell im ersten Viertelfinal-Spiel beim FC Bayern Basketball und gewinnt 102:98. Die Schwaben sind insgesamt das bessere Team und schon im vierten Viertel auf der Siegerstraße. In der regulären Spielzeit wendet Andi Obst per Buzzerbeater die Überraschung ab, in der Overtime sind die King-Schützlinge aber, angeführt von Silas Melson (33 Punkte) und Desure Buie (20 / 7 Assists / 8 Rebounds) nicht mehr aufzuhalten.
48 Stunden nach dem Duell gegen Hamburg und 96 Stunden nach dem Spiel in Bonn starteten die MHP RIESEN als ambitionierter Herausforderer und klarer Underdog ins Playoff-Viertelfinale. Während Jayvon Graves (als siebter Import-Spieler) aussetze, tat Jacob Patrick (kurzfristig krankheitsbedingt) dies ebenfalls – was die Kern-Rotation von Josh King auf acht Akteure verkürzte. Insgesamt änderte sich aber nichts Herz-auf-dem-Parkett-lassen-Herangehensweise, die Eddy Edigin direkt verdeutlichte. Der schwäbische Big Men forderte Gegenüber Serge Ibaka direkt körperlich in der eigenen Zone. Edigin ging zwar mit einem blutenden Kinn aus dem Duell, zeigte aber in dieser und weiteren Konsequenzen, was gegen München mit einer mutigen und fokussierten Einstellung möglich war (13:13, 4. Spielminute). In den ersten zehn Minuten legten die Gäste eine sehr gute Grundlage, die von einem FCBB-Lauf torpediert und erst durch eine Auszeit beendet wurde (20:13). Erst danach gab’s wieder mehr Spielkontrolle, mehr Defensive, mehr Augenhöhe. Der zwischenzeitliche 0:7-Lauf sollte das Ergebnis trüben, nicht aber die Leistung, die top war (26:18, 10.).
Auch im zweiten Abschnitt blieb das Ergebnis offen – und dies trotz schwacher Offensive. Erst ein tiefer Dreier von Silas Melson und mehrere Aktionen des in diesem Abschnitt klar besten Akteurs, Jeff Roberson, halfen beim Verkürzen des Rückstandes (30:25, 14.). Auch danach dominierte der angesprochene Roberson durch selbst erarbeitete Ecken- und Transition-Dreier. Zwei Minuten später gab’s wieder einen Roberson-Dreier nach Desure-Buie-Rebound und bereits nach zwanzig Minuten eine reife, mutige und couragierte Leistung samt toller Feldwurfquoten (45,5 FG% / 43:40, 20.).
Nachdem die ersten zwanzig Minuten ergebnisbedingt bereits nahe dem Optimum verlaufen waren und die Ludwigsburger Selbstvertrauen getankt hatten, kamen sie auch aus der Kabine couragiert und konzentriert. Doch trotz aller Mühen bekamen sie nur drei Punkte – durch Buie – auf die Anzeigetafel (54:46). München spielte angeführt von Carsen Edwards, der bereits zu diesem Zeitpunkt 21 Zähler markiert hatte, seine komplette Klasse aus und zog nach einem Elias-Harris-Dunk auf zehn Zähler davon, die Partie schien entscheidend zu Gunsten der Hausherren zu kippen. Doch die Gelb-Schwarzen steckten nicht auf und blieben dran (65:55, 30.).
Exakt dieses Bild sollte sich auch am Anfang des Schlussabschnitts fortsetzen: München agierte, Ludwigsburg reagierte. Tat letzteres durch Melson aber in exzellenter Manier. Mehrfach benötigten die MHP RIESEN im Angriff Einzelaktionen, mehrfach sorgten diese Einzelaktionen für Zähler. In der Verteidigung regelte der Mannschaftsverbund. Jonathan Bähre, Lewis und Roberson schmissen sich in jeden Ball, in jedes 1-gegen-1-Duell, in jeden Rebound und jede Gelegenheit. Das Glück des Tüchtigen machte sich mehr und mehr bemerkbar, sorgte für den Führungswechsel und einem Kraftakt für die Wende. Melson war in dieser Phase omnipräsent und mit einer herausragenden Wurfauswahl (11/19 | 57,9 FG%) der gelb-schwarze Erfolgsfaktor. Wobei, bei aller Klasse, der US-Amerikaner nicht den Alleinunterhalter gab. Alle anwesenden Schwaben gewannen ihre Duelle und hievten Ludwigsburg in sensationeller Manier in Richtung Siegerstraße. Doch die Souveränität bekam zunächst den zweifachen Freiwurf-Makel und dann den Obst-Downer: Der Nationalspieler und Weltmeister erspielte sich in den letzten 14 Sekunden zwei Distanzwürfe, traf beide und sorgte mit seinem letzten Wurf zum 90:90 per Buzzerbeater für die Verlängerung. Für den FC Bayern Basketball war dieses Ergebnis eher schmeichelhaft, für die MHP RIESEN nach herausragender Leistung maximal bitter – und die Favoritenstellung wieder bei Pablo Laso und seiner Mannschaft.
Trotz des emotionalen Tiefschlages, der komplett aufflammenden Kulisse im BMW Park und des emotionalen Highlights für den FC Bayern Basketball, wankten die Gäste aber auch in der Folge nicht. In dem Moment, in dem ein spielerischer Einbruch nachvollziehbar gewesen wäre, spielte Ludwigsburg auch weiterhin seinen besten Basketball. Melson, der kurz darauf mit fünf persönlichen Foulspielen zuschauen musste, Buie, Lewis und Co. ließen ihr Herz auf dem Parkett, trafen alle wichtigen Würfe. Hierdurch blieben sie, wie schon in der regulären Spielzeit, am Drücker, setzten den FCBB unter Zugzwang. Während Lewis aus der Ecke den Führungswechsel (97:98) bescherte, sorgte Buie in Korbnähe und gegen den Druck der Verteidigung (97:100) schlussendlich für die Entscheidung. Selbstverständlich gab’s in den verbliebenen 60 Sekunden noch beidseitig Gelegenheiten, mit Ausnahme dreier Freiwürfe (1x Serge Ibaka, 2x Lewis) passierte aber nichts mehr, was den vollkommen überraschenden und ebenso umjubelten Viertelfinal-Erfolg zur Folge hatte. Dieser bringt einerseits immense Freude (Ludwigsburg), andererseits immensen Frust (München) und rein statistisch eine 1:0-Führung mit sich.
Weiter geht’s an Pfingstmontag (20.05., 17:00 Uhr) mit dem zweiten Duell der Best-of-Five-Serie. Gespielt wird dann erneut in München. Spiel drei (22.05., 18:30 Uhr) findet in Ludwigsburg statt, die vierte Partie würde, einen FCBB-Erfolg vorausgesetzt, am Freitag (24.05., 20:30 Uhr) ebenfalls in der MHPArena stattfinden.
Für München spielten: Carsen Edwards 25 Punkte, Devin Booker 17 / 8 Rebounds, Andreas Obst 16, Sylvain Francisco 8, Elias Harris 8, Leandro Bolmaro 7 / 8, Serge Ibaka 7 / 9, Vladimir Lucic 6, Isaac Bonga 5 / 6, Niels Giffey und Niklas Wimberg.
Für Ludwigsburg spielten: Silas Melson 33 Punkte, Desure Buie 20 / 7 Rebounds / 8 Assists, Jeff Roberson 15 / 5, Jaren Lewis 11 / 5, Jonathan Bähre 9, Yorman Polas Bartolo 7, Eddy Edigin 7, Deion Hammond, Dominykas Pleta, Johannes Patrick, Davonta Jordan.
Josh King | Headcoach MHP RIESEN Ludwigsburg | "Zunächst: Was ein großartiges Spiel! Wir und ich sind froh, davon ein Teil gewesen zu sein. Ich bin unfassbar stolz und froh über den Sieg, der hochverdient ist. Wir haben heute unerbittlich gekämpft und nie aufgegeben. Der Wurf von [Andreas] Obst hat für einen Moment das komplette Leben aus uns herausgezogen. Aber eben nur für eine Sekunde herausgezogen! Wir haben in der Verlängerung unsere Resilienz gezeigt und uns dafür belohnt. Wir haben heute ein richtig gutes Team auswärts und über die vollen 45 Minuten verdient bezwungen. Hier in München zu gewinnen, ist extrem schwer! Jetzt möchten wir ihnen [München] auch am Montag ein Duell liefern. Schauen wir, wie es weitergeht." |
Pablo Laso | Headcoach FC Bayern Basketball | "Gratulation, sie waren in den letzten Minuten des Spiels besser. Sie haben ihre Angriffe ausgespielt, große Würfe getroffen und kamen so zurück in einem Spiel, dass wir vom Resultat her kontrollierten – aber nicht wirklich im Spiel waren. Wir haben immer geführt, aber nicht so gespielt, wie wir das wollten, und haben auch nicht den Rhythmus kontrolliert. Auch in der Verlängerung waren wir nicht in der Lage, unsere Offense einzusetzen […]. Vielleicht war das ein Schlag ins Gesicht zur richtigen Zeit. Wenn du so verlierst, willst du natürlich eine Reaktion sehen. So wollten wir nicht in die Playoffs starten, müssen es nun aber akzeptieren. Wir müssen uns jetzt auf das nächste Spiel in 40 Stunden vorbereiten. Da müssen wir besser verteidigen und weniger Fehler in einfachen Situationen begehen, die uns heute weh taten. [… ] [Sylvain] Francisco schmerzt das Knie und er konnte nicht mehr spielen, wir müssen uns das morgen [am Sonntag] anschauen. [Vladimir] Lucic war am Rücken verletzt. Er hat es bis zum Ende versucht, war aber nicht bei 100 Prozent." |