„Die richtige Balance finden“ – Interview zur JBBL-Saison 21/22 mit Headcoach Ross Jorgusen

Category News, Jugend, Verein Date 2022-06-12

Die Jugend Basketball Bundesliga Mannschaft der Porsche-Basketball Akademie konnte in dieser Saison endlich wieder ihren Spielbetrieb aufnehmen – und erreichte erneut direkt die Playoffs, strich am Ende nur hauchdünn gegen den Favoriten Bamberg die Segel. Headcoach Ross Jorgusen wurde zuletzt für seine herausragende Arbeit mit dem Mathias-Grothe-Award ausgezeichnet und erzählt im Interview über die Entwicklung der Spieler, Mannschaft und der Organisation unter den herausfordernden Umständen während der Pandemie.

Wie würdest du die Saison in einem Wort beschreiben?

Auf der einen Seite würde ich sagen „glücklich“, dass wir überhaupt spielen durften, aber auch unkalkulierbar, weil wir nie wussten, wer trainieren oder spielen kann. Jedes Mal, wenn mein Handy geklingelt hat, wusste ich schon, dass das eigentlich nichts Gutes bedeuten kann. Wir durften zwar eine komplette Saison spielen – im Vergleich dazu war die vergangene Saison eine Katastrophe – und durften unsere Leidenschaft ausüben, aber es war dennoch sehr aufreibend und anstrengend, dadurch dass alles so ungewiss war. Deshalb eigentlich sehr positiv, aber auch ein bisschen getrübt durch die Umstände.

Ihr habt über den Saisonverlauf viele verschiedene Spiele und Turniere bestritten. Wie hat sich die Mannschaft aus deiner Sicht im Laufe der Zeit (weiter)entwickelt?

Zu Beginn hatten wir aufgrund des Modus in der JBBL ein bisschen Schwierigkeiten. In den ersten 6 Wochen macht dieser einem extrem viel Druck, um unter die drei Bestplatzierten zu kommen. Leider haben wir das zunächst nicht geschafft, weil wir am Anfang noch nicht gut genug waren für die Top 3. Die Jungs haben aber weiter hart gearbeitet und wir dadurch unser Ziel erreicht – die Relegationsrunde zu erreichen. Sie waren hochmotiviert in die Playoffs zu kommen und haben sich im Laufe der Saison super entwickelt. Vom Anfang bis jetzt haben wir einen RIESEN Schritt gemacht.

Wenn wir von Entwicklung sprechen: Wo lag für dich der Fokus?

Man muss in der BBA zwei Seiten beachten: Zum einen hat man den Spieler als Individuum, denn wir wollen Spieler ausbilden und auf der anderen Seite hat man die Mannschaft als Ganzes. Manchmal ist es schwierig, das miteinander zu vereinbaren. Einzelne Spieler müssen aus ihrer Komfortzone herausgeholt werden, um sich weiterzuentwickeln: Sie sollen auch Fehler machen, um besser zu werden. Das funktioniert natürlich auch mit Siegen. Die Mannschaft selbst soll sich allerdings auch weiterentwickeln und das ist der Balanceakt, den man als Trainer machen muss: Beide Seiten voranzubringen. Je besser die Spieler individuell sind, desto besser wird allerdings auch die Mannschaft. Während der Saison durchlebt immer ein paar Wachstumsschmerzen, aber alles in allem bin ich sehr zufrieden, wie sich die Spieler entwickelt haben und die Mannschaft am Ende gespielt hat.

Die JBBL befindet sich an einem Scheideweg im Leben junger Menschen: Wie soll es im Basketball weitergehen – weiterhin Amateur oder doch den Schritt zum Profi machen? Wie geht man mit diesem Mix an unterschiedlicher Einstellung zum Sport als Trainer an die Sache heran und mit solchen Fällen um?

Die JBBL ist quasi der Einstieg in den Leistungssport. Im Alter von 14, 15, 16 Jahren passiert unfassbar viel: In der Schule erreicht man ein anderes Level, die Pubertät spielt mit rein und vieles mehr. Als junger Spieler träumt man immer von der NBA, aber zu diesem Zeitpunkt wissen sie noch nicht, wie viel sie für diesen Traum investieren und vielleicht auch opfern müssen. Ich bin da ganz realistisch: Das ist nicht für alle etwas. Ich habe keine 12 Spieler, die am Ende auch alle NBBL spielen und das ist auch normal. Trotzdem wollen alle auf einem hohen Level spielen. Meine Aufgaben als Coach sind, glaube ich, zwei Dinge: Herauszufinden, welche Spieler Perspektive haben, auch wenn es vielleicht nur bis zu NBBL ist und für die versuche ich einen Plan zu entwickeln, wie sie es nach oben schaffen können. Mein Job ist aber auch mir zu überlegen, wie es für die Spieler weitergeht, die das nicht möchten oder können. Sich nicht um sie zu kümmern ist ein absolut falsches Signal, denn man braucht diese Spieler. Sie sind diejenigen, die ihre Teamkollegen weiterentwickeln. Wenn sie Gas geben, wirkt sich das positiv auf die anderen aus. Würde man sich nur auf eine Gruppe konzentrieren, verliert man die anderen. Man muss zeigen, dass einem diese Spieler auch wichtig sind, obwohl sie keine Chance haben, damit sie motiviert bleiben. Ob Schiedsrichter, Coach oder etwas anderes – es gibt viele Möglichkeiten und jeder hat eine andere Zielsetzung in der JBBL.

Bist Du also nicht nur Trainer, sondern auch Wegbegleiter?

Das kann man so sagen, vielleicht auch ein Berater in gewissem Maße. Kinder sind nicht dumm: Sie wissen, manchmal besser als ihre Eltern, wo sie in der Mannschaftshierarchie stehen und wie es für sie weitergeht. An diesem Punkt muss man einfach mit ihnen sprechen und ihnen eine Perspektive aufzeigen.

Die Pandemie hat sich – wie bereits angesprochen – auch in dieser Saison wieder auf den Trainings- und Spielbetrieb ausgewirkt. Was hat es auch in dieser Saison so schwer gemacht?

Als Coach war es einfach sehr schwierig, Trainingspläne zu erstellen oder sich auf Spiele vorzubereiten: Wie viele Spieler hat man? Wer fällt aus? Es war eine Herausforderung, Kontinuität hineinzubringen. Eine andere Aufgabe war auch sich zu überlegen: Wie integriert man Spieler nach einer Coronainfektion wieder ins Training? Dafür trägt man als Coach auch Verantwortung. Die Jungs wollen sofort wieder einsteigen und dabei muss man sie dann ein bisschen bremsen. Wie waren die Symptome? Wie schwer die Erkrankung? Wie schnell kann der Spieler wieder loslegen? All das hat auch eine Rolle gespielt. Wir haben in diesem Jahr an keinem Turnier teilgenommen, weil wir auf Nummer Sicher gehen wollten. Als Coach gibt es auch neben dem Basketball selbst noch viele Dinge zu beachten und vieles davon liegt außerhalb deiner Kontrolle, weil man nie wusste, was passiert.

Wie hat sich aus deiner Sicht die gesamte Organisation – während der Pandemie, aber auch speziell in dieser Saison – weiterentwickelt?

Zunächste einmal denke ich, dass Timo [Probst, Nachwuchskoordinator der Porsche BBA Anm. d. Red.] einen unfassbaren Job gemacht hat und mit der Stadt in regelmäßigem Kontakt und Austausch stand, damit wir die Dinge machen durften, die wir machen können. Es war ein Privileg, die Halle nutzen zu können, denn viele andere durften das nicht. Auch das Hygienekonzept, mit dem er versucht hat, alles so sicher wie möglich zu machen. Wir haben – bis auf das Saisonende, da haben wir etwas Pech gehabt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es uns auch erwischen würde. Strukturell haben wir nicht viel verändert, mussten unser Angebot (z.B. Grundschulliga) allerdings leider etwas zurückfahren.

Wie würdest du die Zusammenarbeit der Trainer untereinander beschreiben?

Super! Wir haben einen wirklich guten Trainerstab und verstehen uns alle sehr gut. Jeder weiß, dass er den anderen um Hilfe bitten kann. Ich denke, das ist ein sehr großer Vorteil, den wir anderen Vereinen gegenüber haben.

Arbeiten alle altersklassenübergreifend zusammen, um die Spieler optimal einzustellen?

Am Ende des Tages ist es die Entscheidung eines jeden Coaches, was er macht. Wir reden auf jeden Fall sehr häufig über die Jungs und sagen zum Beispiel, dass Spieler X ein guter Werfer ist oder etwas anderes besonders gut kann, es ihm aber an etwas anderem fehlt und er vielleicht noch ein oder zwei Jahre brauchen, um bereit zu sein. Es werden verschiedene Meinungen eingeholt, was genau man machen kann, um die Spieler optimal zu fördern und besser zu machen. Der Austausch innerhalb der Gruppe ist sehr gut und wir haben alle das gleiche Ziel – das ist wichtig. Unter dem Strich wollen wir jeden Spieler auf sein höchstmögliches Level bringen. Wo das ist, ist dann auch egal, aber das ist unser aller Anspruch.

Dein Ausblick auf die Saison 2022/2023?

Es ist jedes Jahr so, dass wir als Trainer quasi wieder von 0 beginnen müssen. Zu Beginn ist es deshalb immer etwas schwierig, weil man ein Jahr lang mit einer Mannschaft gearbeitet hat und sie so weit gebracht hat, und dann muss man wieder von vorne anfangen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess. Ich freue mich in jedem Fall auf nächstes Jahr: Wir wollen in der kommenden Woche den Jahrgang wechseln. Dadurch haben wir 7 Spieler „verloren“, die nun NBBL spielen werden. Ich bin sehr gespannt, wie sie sich dort machen. 8 Spieler aus 2007 sind uns geblieben und auch, wenn sie nicht so ‚talentiert‘ sind wie die 2006er, sind wir als Mannschaft sehr gut verbunden. Wir haben ein relativ kleines Lineup, aber die Spieler sind sehr motiviert und es wird sehr viel Spaß machen, in der neuen Saison mit ihnen zu arbeiten. Natürlich will man immer das Beste herausholen, aber mein übergeordnetes Ziel ist es, dass jeder Spieler einen großen Entwicklungsschritt machen kann. Ich freue mich auf die neue Herausforderung. Die 2008er haben mit den Älteren ein großes Vorbild und diese Rolle ist auch für sie etwas Besonderes – ich bin mir sicher, dass sie diese Challenge annehmen und gut meistern werden.

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