#ungehindertRIESIG – Alexander Fangmann

Category News, Teamplay Date 2023-02-07

Inklusionsmanager des Württembergischen Landessportbund UND Blindenfußballer in der deutschen Nationalmannschaft? Wie das gleichzeitig funktioniert, wie wichtig Sport für die Förderung von Inklusion ist und wie er selbst zu dem Thema steht, erzählt uns Alexander Fangmann in unserem Interview. Lieber Alex, vielen Dank für deine Unterstützung und den tollen Austausch mit dir. Wir freuen uns, die gesammelte Blindenfußball-Nationalmannschaft am Inklusionsspieltag mit unserer neuen Blindenreportage auszustatten.

Interview Alexander Fangmann

RIESEN: Alexander, du bist nicht nur Kapitän der deutschen Blindenfußball-Nationalmannschaft, sondern auch Inklusionsmanager beim Württembergischen Landessportbund und Mitglied im Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB.  Beim deutschen Rekordmeister, dem MTV Stuttgart, spielst du gemeinsam mit Mulgheta Russom, mit dem wir auch schon die Freude hatten, ein Gespräch führen zu dürfen. In diesem Interview sagte er, dass der Blindenfußball deutlich macht, dass Blinde viel mehr können, als man denkt. Gutes Gehör, eine gute Zuordnungs- und Orientierungsfähigkeit sowie eine große Portion Mut gehören nicht nur zum Repertoire eines Blindenfußballers, sondern generell zu jedem Menschen mit Sehbehinderung. Stimmst du seiner Aussage also zu?

Alexander: Absolut. Das liegt aber sicher auch daran, dass viele Menschen keine direkten Berührungspunkte zu Menschen mit Behinderung haben und sich daher nur schlecht in deren Perspektive hineinversetzen können. Für die betroffenen Personen ist es hingegen selbstverständlich den Alltag mit ihrer individuellen Einschränkung zu bestreiten oder eben auch Sport zu treiben.

RIESEN: Im Alter von acht Jahren bist du aufgrund einer Netzhautablösung erblindet, hast also im Gegensatz zu manch anderen Menschen, die leider seit Geburt blind sind, einen Teil deines Lebens als Sehender verbracht. Kannst du heute noch auf Erfahrungen auf dieser Zeit zurückblicken, die dir jetzt noch im Leben helfen, egal ob im Alltag oder im Blindenfußball?

Alexander: Ich habe zum Beispiel noch Erinnerungen an Farben oder an Szenen aus meiner Kindheit. Aber was mir glaube ich wirklich viel hilft, ist das dreidimensionale Vorstellungsvermögen. Gerade auch auf dem Fußballplatz entsteht so immer ein Bild in meinem Kopf vom kompletten Spielgeschehen und ich kann gut die verschiedenen Positionen meiner Mitspieler und Gegenspieler sozusagen visualisieren.

RIESEN: Die Sportart existiert in Deutschland erst seit 2006 und du warst quasi von Anfang an mit dabei. In einem Interview mit Sportregion-Stuttgart sagtest du, dass die Finalteilnahme bei der Europameisterschaft und die Teilnahme an den paralympischen Spielen die großen Ziele sind. Welche Entwicklung hat der Blindenfußball in Deutschland seit der Einführung genommen und wie nah dran seid ihr an der Umsetzung eurer Ziele?

Alexander: Blindenfußball hat sich enorm entwickelt. Die Sportart ist schneller, dynamischer, athletischer und insgesamt komplexer geworden. Trotzdem sind wir noch weit weg von dem, was man so aus dem Profisport kennt. Wir sind aber auch eine recht kleine Gruppe an Sportler*innen, die diesen Sport ausüben. Daher müssen wir alle sehr aktiv sein, um den Blindenfußball weiter voranzutreiben.

Wir haben diesen August die Chance durch eine gute Platzierung bei der Weltmeisterschaft in England noch das Ticket für die Paralympics 2024 in Paris zu lösen. Das wäre ein riesiger Sprung und würde dem Blindenfußball zu einer breiten Aufmerksamkeit verhelfen.

RIESEN: Im Blindenfußball habt ihr nicht nur einen Guide hinter dem Tor sondern auch einen sehenden Torspieler. Was viele jedoch nicht wissen, ist die Tatsache, dass auch Menschen ohne Erblindung Blindenfußball spielen können, da ihr beim Spielen alle eine Dunkelbrille tragt, um gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Ist die Sportart also ein absoluter Vorreiter der Inklusion, da sie Menschen mit und ohne Einschränkung verbindet?

Alexander: Das ist wirklich eine Besonderheit bei uns. Dieses Zusammenspiel zwischen sehenden Torspieler*innen, Guides und Feldspieler*innen macht Blindenfußball zu einem speziellen Mannschaftssport. Nur gemeinsam kann man richtig guten Blindenfußball spielen.

Theoretisch könnte zwar jeder und jede auch ohne Seheinschränkung auf dem Feld mitspielen, aber in der Praxis gehört dann doch mehr dazu. Dinge wie die Orientierung per Gehör und das Filtern der vielfältigen Kommandos und Zurufe brauchen viel Zeit. Als blinder Mensch nutzt man diese Fähigkeiten schließlich jede Minute seines Lebens und nicht nur, wenn man auf dem Fußballplatz steht.

RIESEN: Nehmen wir an, du hast die Möglichkeit in einem Spot zur Primetime im Fernsehen eine Botschaft oder völlig egal was, an alle Zuschauer zu richten. Was würdest du gerne sagen?

Alexander: Sei anderen Menschen gegenüber unvoreingenommen. Frage nach, wenn dich Dinge interessieren. Probiere Sachen aus, die du für schwierig oder sogar unmöglich gehalten hast. Trau dich und lass deine eigenen Grenzen hinter dir.

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