#ungehindertRIESIG – Mulgheta Russom

Category News, Teamplay Date 2022-11-29
Assistant Coach David McCray zusammen mit Blindenfußballer und Fitnesstrainer Mulgheta Russom

 

Für Teil zwei unserer Contentreihe zu #ungehindertRIESIG haben wir uns Verstärkung von Mulgheta Russom geholt. Er ist Deutschlands erster blinder Fitness- und Personaltrainer im MOTIV Stuttgart, Blindenfußballer beim MTV Stuttgart und seit 2007 Nationalspieler sowie Motivationscoach und Mutmacher. Mulgheta Russom ist das beste Beispiel und tolles Vorbild, dass man trotz Handicap und Schicksalsschlägen erfolgreich sein kann. In der Elfmeterchallenge hat „Mulle“ unseren Assistant Coach David McCray ganz schön schwitzen lassen. Das Video dazu findet ihr auf unseren Social Media Kanälen.

Interview: Mulgheta Russom

RIESEN: In Folge eines Unfalls und bakteriellen Infektes bist du seit 24 Jahren blind. In einem Interview sagtest du „dank Humor und einem ausgeprägten Bewegungsdrang“ hast du die Rückkehr in ein „völlig anderes, aber dennoch eigenständiges Leben“ geschafft. Du bist Deutschlands bekanntester Blindenfußballer und in deiner Vita stehen diverse deutsche Meistertitel sowie Torrekorde der Nationalmannschaft. Du sagtest du siehst dich selbst als Vorbild. Für andere Blindenfußballer aufgrund deines Erfolges im sportlichen Sektor, oder für dein Lebensweg, oder eine Mischung aus Beidem?

Mulgheta: Ich denke auf jeden Fall eine Mischung aus Beidem. Sowohl privat als auch sportlich gab es Erfolge und Entwicklungen, die ich mir selber erkämpft habe. Ich habe einen Beruf erlernt, den es so noch nicht gab, weil Sport einfach mein Ding ist. Daher habe ich die Chance ergriffen und ausgebaut. Übertragbar gilt das meiner Meinung nicht nur für Menschen mit Sehbehinderung, sondern auch für alle: Die Devise lautet hier, sich nicht unterkriegen zu lassen.

RIESEN: Du arbeitest mittlerweile auch hauptberuflich im Sportbereich. Du bist Fitness- und Personaltrainer spezialisiert auf die Nacken- und Schulterregion. Wie kam es dazu, dass du dir diesen unkonventionellen Job, bei dem es viel auf optische Wahrnehmung von Bewegungsausführungen ankommt, zugetraut hast und wie schaffst du es, das anfänglich sicher häufige Misstrauen von Klienten in Vertrauen umzuwandeln?

Mulgheta: Ich liebe Sport und ich hatte und habe den Ehrgeiz, trotz meiner Sehbehinderung, das auszuüben, was ich liebe. Dabei strahle ich Offenheit gegenüber Menschen aus, sodass niemand Berührungsängste hat und sich auch traut, mir Fragen zu stellen sowie nach Hilfe zu fragen. Ich ermögliche damit den Weg zu mir und meiner Person, dass sich dadurch Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung selbstverständlich und natürlich gegenübertreten – ohne Tabuthemen.

RIESEN: Vor deiner Karriere als Fitness- und Personaltrainer hast du erfolgreich eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann absolviert. Verkaufe doch mal kurz und knapp den Blindenfußball und warum er so attraktiv ist?

Mulgheta: Der Blindenfußball macht deutlich, dass Blinde viel mehr können, als man denkt. Wir stehen auf dem Platz, sprinten mit dem Ball mit völliger Überzeugung und Wille und schießen Tore genauso wie ein sehender Bundesliga-Fußballer. Wir leisten genauso viel und müssen uns dabei auf viel mehr gleichzeitig konzentrieren. Außerdem ist der Blindenfußball das beste Beispiel für Inklusion, weil jeder mitspielen kann – unabhängig ob sehbehindert oder nicht. Auf dem Platz sind alle gleich.

RIESEN: Sport kann eine psychologische Therapieergänzung sein, das sagtest du sinngemäß in einem SPIEGEL-Interview. Sport gilt flächendeckend als verbindendes Element für Menschen unabhängig von kulturellem und gesellschaftlichem Hintergrund. Sport verbindet Alles und Jeden. Was kann der gesamtgesellschaftliche Alltag vom Sport lernen?

Mulgheta: Sport schafft mehr Selbstbewusstsein und mehr Miteinander. Mit Sport erreicht man eine positive Verbindung zueinander, um in der Gesellschaft besser zurecht zu kommen bzw. miteinander klarzukommen. Sport bringt Menschen zusammen und ermöglicht einen Zusammenhalt.

RIESEN: Nehmen wir an, du hast die Möglichkeit in einem Spot zur Primetime im Fernsehen eine Botschaft, oder völlig egal was, an alle Zuschauer richten. Was würdest du gerne sagen?

Mulgheta: Das kann doch noch nicht alles gewesen sein. Fragt mich, ich zeige euch, wie wichtig es ist, sich nach einem schlimmen Schicksalsschlag nicht unterkriegen zu lassen und einfach das Beste aus sich rauszuholen. Das Leben geht weiter, nur halt anders.

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